Die Quittung

Cassella 2

Tony Cassella ist zurück. Mitten im New York der 1980er Jahre und in der allgemeinen Reagan-Begeisterung gerät der Privatdetektiv unvermittelt in den Strudel von Immobilienspekulationen. Eigentlich soll er nur die Bergmans finden, betrügerische Mieter, die ihre mietpreisgebundene Wohnung gewinnbringend weitervermieten, während sie selbst schon längst New York verlassen haben. Doch was als harmloser und wenig ruhmreicher Routineauftrag beginnt, trägt Tony Cassella mitten hinein in das Herz der New Yorker Immobilienblase, in der sich Mafia und Politik die Hände reichen und gemeinsam über die Opfer ihrer Machenschaften hinwegsteigen. Als die Spuren dann bis in die höchsten Kreise von Washington führen, muss Tony erkennen, dass auch er nur ein Spielball seiner Auftraggeber ist. Wird er es schaffen, seinem Ehrenkodex treu zu bleiben, wenn sein Leben, seine Arbeit und seine Familie von skrupellosen Mächten bedroht sind, die nicht zögern, Mietshäuser samt ihrer Bewohner niederzubrennen?

Gespannt bis zur letzten Seite folgt man dem Frauenliebling und -liebhaber Tony Cassella auf seiner Tour de Force durch den Bodensatz der Immobiliengeschäfte, der am Ende doch das Fundament bildet, auf dem all unsere Häuser stehen – mal mehr oder weniger schwankend…
Ein erschreckend aktueller Krimi, wenn nicht gar zeitlos.

 

Die erste deutsche Ausgabe des Romans erschien 1989 im Rowohlt Verlag unter dem Titel Zahltag für Cassella. Das Originalmanuskript wurde für die spraybooks-Ausgabe vollständig überarbeitet.

AFFENSCHEISSE IST AFFENSCHEISSE.

VON ALF MAYER

»Wir haben es der Güte Gottes zu verdanken, dass wir in unserem Lande drei unsagbar kostbare Dinge besitzen: die Redefreiheit, die Gewissensfreiheit und die Klugheit, keines von beiden je in die Tat umzusetzen.« Erst als es schon viel zu spät ist für die Durchsetzung der ersten zwei »unsagbar kostbaren Dinge«, nämlich auf Seite 388 zitiert Autor Larry Beinhart diesen Aphorismus von Mark Twain in seinem respektlosen Thriller »Zahltag für Cassella«.

Nicht der einzige Krimi, aber einer der wenigen, die übersetzt auf unsere Ladentische kommen, steht Zahltag für Cassella musterhaft dafür, was in USA möglich, hierzulande aber wenig selbstverständlich ist: die (scheinbar) mühelose Verschränkung von Fiktion und politischer Realität, die schonungslose Aufdeckung krimineller-politischer Geschäftemacherei — wenigstens in der Fiktion. »Keiner hätte uns das geglaubt«, jammern deutsche Krimi-Schreiber, angesprochen auf den fehlenden Roman zur Barschel-Affäre. Solch ein Einwand aber — und er ist die Standardantwort —, heißt das falsche Pferd von hinten her aufzuzäumen. Heißt, die mittlere Vernünftigkeit eines bundesdeutschen Fernsehspiels, also eine nur in Maßen aufregende, aller »Schadstoffe« entledigten »Realität« das Wort zu reden. Heißt, durch Nichtschreiben mitzustricken an dem, was quasi als gesellschaftlich gemeinsamer Nenner u.a. von »Tagesschau« und »heute« täglich offiziell verkündet wird. Bundesdeutsche Krimiautoren, das behaupte ich, haben die falsche Art von Respekt, schreiben für die falsche Öffentlichkeit: so, als wollten sie in die »Tagesschau«, mindestens aber in die Literatursendungen. Um politisch mitzumischen, als (auch) politische Literatur erkannt und anerkannt zu werden, reicht das aber nicht. »Die Fiktion ist bereits vorhanden. Aufgabe des Schriftstellers ist es, die Realität zu erfinden«, sagt der englische Schriftsteller J.G. Ballard.

Larry Beinhart, der wirklich so heißt und für seinen ersten Krimi, »Kein Trip für Cassella« (eine Drogen- und Finanzstory auf Wallstreet) 1986 den Edgar erhielt, erfindet in »Zahltag für Cassella« die Realität, indem er im Jahr 1984 jede Menge realer Personen, jede Menge verbürgter Zitate, jede Menge bewiesener Sauereien, Dummheiten und Machtverhältnisse mit jeder Menge Erfundenem konfrontiert, hauptsächlich mit seinem respektlosen Privatdetektiv Mike Cassella, der — weil er das Geld gut brauchen kann — für 100.000 Dollar den Mafia-Verbindungen des (offiziell davon weißgewaschenen) US-Justizministers nachspürt.

Natürlich wird Cassella fündig, erfährt mehr als er wissen wollte. Und auch wir erfahren mehr, als wir zu wissen glaubten. Kein deutscher Krimischreiber, immer eine Einladung in eine Talkshow vor dem träumenden Auge, würde sein Credo so formulieren, wie Larry Beinhart es tut: Wahrheit ist Wahrheit. Affenscheiße ist Affenscheiße. Das ist das grundlegende Menschenrecht und vielleicht die höchste Bestimmung des Menschen — die Wahrheit von der Affenscheiße unterscheiden zu können.

Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass »Zahltag für Cassella« beinhart, windelweich, oft gar nicht lustig und oft zum Brüllen komisch ist. Wenn Larry Beinhart so weitermacht, stelle ich ihm ohne Zögern neben den zeitgenössischen (amerikanischen) Meister der politischen Satire: neben Richard Condon, der manchen vielleicht durch die Romanvorlage des John-Huston-Films »Die Ehre der Prizzis« (mit Jack Nicholson) bekannt geworden ist.

Alf Mayer in »Blutige Ernte«, 1990. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Larry Beinhart
DIE QUITTUNG

[You Get What You Pay For]
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger
ca. 557 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-945684-10-8

Mehr von Larry Beinhart:

Cassella 1
Cassella 3
American Hero | Wag the Dog

Photo by bielfeldt + bürger